Sündenbock

Der Sündenbock ist das unbewusste menschliche Bedürfnis, die eigene Schuld auf etwas anderes oder jemand anderen zu übertragen. Es ist die Neigung, uns in anderen zu hassen und zu bekämpfen. Wir sind uns häufig gar nicht bewusst, dass wir unseren Schatten auf andere projizieren.

Es hat bis ins 20. Jahrhundert gedauert, dass die moderne Psychologie erkannt hat, wie Menschen ihr unbewusstes Schattenmaterial fast immer auf andere Leute und Gruppen projizieren. Jesus stand vollkommen unschuldig vor seinen Anklägern und wurde von den höchsten Autoritäten „der Kirche und des Staates“ (Jerusalem und Rom) verurteilt. Es verdeutlicht wie auch die höchsten irdischen Mächte gänzlich daneben liegen können. Die Kreuzigung Jesu war eine schreckliche Prophezeiung, dass Menschen lieber Gott umbringen, als sich selbst zu ändern.

Doch der Gott-Mensch nimmt unsere Ablehnung willig auf sich, damit etwas Grösseres geschehen kann. Jesus wurde zum Opfer, damit wir aufhören können, andere zum Opfer zu machen. Jesus ist nicht gekommen, um Gottes Einstellung uns gegenüber zu verändern. Diese musste nicht verändert werden. Jesus ist gekommen, um unsere Meinungen über Gott – und über uns selbst – zu verändern und darüber, worin Gut und Böse tatsächlich besteht.

Wenn wir den Blick auf diese göttliche Wahrheit lenken – indem wir die vielen Varianten fahren lassen, mit denen wir andere zu Sündenböcken machen und uns selbst rechtfertigen – wächst unser Mitgefühl mit uns selbst und mit allen anderen, die leiden. Wie bejahend ist es, den eigenen Schatten nicht leugnen oder auf jemanden projizieren zu müssen, sondern sich auf die eigene tiefste Identität einzulassen.

Aus dem Buch von Richard Rohr: „Alles trägt den einen Namen.“

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