Perfektionismus

In meiner Tätigkeit begegne ich Menschen, welche in ein Burnout geraten sind und sich langsam in den Arbeitsmarkt zurückbewegen. Sie erzählen mir unter anderem ihre Geschichte vom krankmachenden Perfektionismus. „Alles muss perfekt sein.“ Woher stammt dieser Wunsch? Weshalb muss alles perfekt sein? Was ‚verdient‘ sich der Mensch damit?

Nun da sind einige ‚lukrative‘ Angebote: Lob und Anerkennung, nichts kann einem vorgeworfen werden, keine ,Angriffsfläche‘, keine Störung der Harmonie, angenommen, wertgeschätzt sein. Alles wunderbare Dinge, doch zu welchem Preis?

Der Perfektionismus strebt danach, es andern und sich selbst ‚recht‘ zu machen. Doch was heisst ‚recht‘? Wann ist es ‚recht‘ und wann ist es nicht (mehr) ‚recht‘? An was kann ich das messen? An meinem Perfektionismus? Das, was für mich perfekt ist? Und ist das dann auch für die andern perfekt? Oder am Perfektionismus der andern. Weiss ich überhaupt, was für die andern ‚perfekt‘ ist? Und ist dieses ‚Perfekt‘ der Massstab aller Dinge oder vielmehr ein eigenes Konstrukt? Und woher stammt dieses Konstrukt? Ein Konstrukt hat viel mit meiner eigenen Geschichte, meinen Werten und Vorstellungen zu tun.

Allen Menschen (mir und andern) recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann. Niemand?! Da stehe ich also im Voraus auf verlorenem Posten, zum Scheitern verurteilt. Wir alle tragen den Wunsch in uns, geliebt zu werden. Hinter dem ‚Modell‘ des Perfektionismus steckt die Sehnsucht, geliebt zu werden. Der Perfektionismus bietet als Lösung für dieses wesentliche Bedürfnis eine bedingte Liebe an. Ich bin geliebt, wenn … ich ,das und das‘ erfülle. Sie steht im Unterschied zur bedingungslosen Liebe: Ich bin geliebt. Punkt, kein Komma. Ich muss nicht zuerst etwas dafür tun. Das ist ein immenser Unterschied mit ebenso weitreichenden Konsequenzen.

Im ersten Schöpfungsbericht der Bibel heisst es: „Und Gott sah alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut!“ Alles sehr gut. Was Gott macht ist perfekt. Es fehlt an nichts, es ist alles da – in voller Pracht! Der Mensch eingeschlossen. Der Mensch als Ebenbild Gottes. Der Mensch als Gegenüber Gottes, von Gott angenommen und unsterblich geliebt. Dieses Bild, dieses vertraute Ebenbild, gibt dem Menschen allen Wert, alle Wertschätzung, welche er für ein erfülltes, zufriedenes Leben braucht und damit zur Selbstliebe, Selbstannahme.  Der Mensch bekommt ein Ja zu sich, so wie er ist, um ohne inneren Druck zu werden, sich entfalten und verschenken zu können. Das ist die bedingungslose Liebe, die unbedingte Liebe. Es ist die vorausgehende Liebe Gottes, damit ich ‚im Nachgang‘ geliebt bin und ebenso unbedingt lieben kann. Es ist die schönste Liebe, weil sie nicht an Bedingungen knüpft, sondern an das Wesen der Liebe selbst, die liebt, weil sie nicht anders kann.    

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