Wo genau ist der Himmel?

Halt an, wo läufst du hin? Der Himmel ist in dir; suchst du Gott anderswo, du fehlst ihn für und für. Angelus Silesius

Ein bewusstes Innehalten ist der erste Schritt, der es ermöglicht, aus einem beständigen Beschäftigt-Sein herauszutreten und sich von einer anderen Wirklichkeit berühren zu lassen. Silesius möchte mit seiner Frage: „Halt an, wo läufst du hin?“, den Menschen in seiner tieferen Sehnsucht berühren. Seine Frage könnte auch lauten: „Halt an, worum bemühst du dich in deinem Leben? Um was geht es dir? Was suchst du eigentlich zutiefst?“ Wo genau ist der Himmel? Silesius sagt auch gleich, wo dieser zu finden ist: „Der Himmel ist in dir.“

Jesus hat dieselbe Botschaft mit anderen Worten ausgedrückt: „Das Reich Gottes ist in euch.“ Dies ist im wahrsten Sinne des Wortes eine unglaubliche Botschaft. Denn oftmals ist es naheliegender für uns, den Himmel, d. h. das Glück, die Freude, die Liebe, in der Aussenwelt zu suchen bzw. in einem anderen Menschen. „Wenn dieses oder jenes so und so wäre oder diese oder jener sich so und nicht so verhielte, ja das wäre dann der Himmel für mich.“

Die Aussenwelt kann uns darin unterstützen, Freude und Frieden zu erfahren. Doch der Friede und die Freude sind trotzdem nicht in den äusseren Umständen zu finden und auch nicht in einem anderen Menschen. Denn „die Freude steckt nicht in den Dingen, sondern im Innersten unserer Seele“ (Therese von Lisieux). Die Verheissung, dass all das, was wir zutiefst suchen, bereits in uns ist, ermutigt dazu, immer wieder innezuhalten und sich auf diese innere Suche einzulassen.

In der Kontemplation bzw. Meditation lässt sich der Mensch bewusst auf diese innere Suchbewegung ein. Das Bemühen, achtsam und gegenwärtig zu sein, öffnet ihn für die eigene Gegenwart, für das eigene Dasein. Es existiert unabhängig von den Gedanken, die er sich macht, und dem Leistungsvermögen, das er besitzt. Im einfachen und absichtslosen Dasein erfährt der Mensch, dass er sein Leben nicht erst verdienen muss. Es ist ihm bereits geschenkt. Er kann zu einem wahrhaftigeren Selbstbild finden, das nicht von äusseren Gegebenheiten abhängig ist.

Aus dem Buch von Karin Seethaler, Die Kraft der Kontemplation

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