Jesus hat sein Gebet nicht mit ‘Bitte, bitte, lieber Gott, gib doch, mach doch, tu doch, lass doch …!’ begonnen. In seiner Spiritualität hat Gott nicht die Funktion eines Nothelfers. Gott ist für ihn der grosse Wert, der grosse Inhalt seines Lebens, er ist sein ,himmlischer’ Lebensgefährte in guten und in bösen Tagen. Nicht die Not lehrt ihn beten, sondern die Begeisterung darüber, dass das Dasein von Gott – von einem solchen Gott! – getragen ist. ‘Abba (vertraute, kindliche Anredeform von Vater), du bist ganz wunderbar, ganz herrlich!’ – ist das ‘religiöse Grundgefühl’ in seinem Herzen. Das ist es, was er seinem Gott zuallererst sagen will, wenn er zu ihm betet. Und dieses Grundgefühl muss er auch Gott, seinem Abba wünschen: diese Freude, diese Glückseligkeit, dieses Erfüllt-Sein, diese heile-heilige Herrlichkeit.
Aus dem Buch: Das Vaterunser von Reinhard Körner